Wie Sie mit dem Zwiegespräch und dem Hilfreichen Zuhören Ihre Beziehung vertiefen und Ihre Verbindung (wieder) beleben

Wenn ich Paare, die oft schon lange zusammen sind und die in meine Praxis für Paartherapie kommen, frage: „Warum sind Sie nicht zufrieden?“, dann antworten sie häufig: „Wir verbringen kaum Zeit miteinander.“ „Wir kommen nicht mehr als Liebespaar vor.“ „Wir funktionieren nur noch.“ „Wir leben nebeneinander her.“ oder im schlimmsten Fall: „Wir haben uns auseinandergelebt.“

Ich will es manchmal nicht wahrhaben, aber viele Studien belegen, dass die meisten Paare lediglich 7 Minuten täglich miteinander sprechen. Doch 7 Minuten für Austausch, Kontakt, Nähe und eine tiefe Herzenzverbindung sind zu wenig. Der Mangel an gemeinsamer Zeit und die Sprachlosigkeit der Paare sind die größte Bedrohung der Beziehung.

„Sprecht miteinander!“ Die Kraft des guten Gesprächs.

Wir sind vielfach im außen orientiert – Beruf, Kinder, Termine wollen organisiert sein. Das bedeutet oft Stress und Druck, den wir uns machen durch Perfektionismus und Funktionieren müssen. Paare sind häufig eingespielte Teams und Eltern, aber kein Liebespaar mehr. Gespräche werden im vollen Alltag immer seltener, oberflächlicher, aufgabenbezogener, oft gibt man sich nur noch die Klinke in die Hand.

Fehlende Zeiträume und fehlende Energie gefährden das Glück.

Überlastung und Beschleunigung führen zu Stress und Müdigkeit. Doch ausgebrannte Partner können kaum noch Kraft in ihre Liebe investieren, es droht der Burnout der Liebe. Paare, die wenig in Kontakt sind und nicht mehr wesentlich miteinander sprechen, entwickeln eine Beziehungslosigkeit in der Beziehung.

Frage an Sie: Wann haben Sie das letzte Mal wesentlich und tiefgründig mit Ihrem Partner / Ihrer Partnerin gesprochen? Über das, was Sie wirklich bewegt?

Viele Paare überlegen bei dieser Frage lange … „Vielleicht letztes Jahr im Urlaub?“

Viele sagen auch, dass das spontan passieren soll, genau wie guter Sex, aber so läuft häufig es nicht im engen Zeitplan, wir müssen uns dazu entscheiden und verabreden.

Aus meiner Erfahrung kommt es darauf an, dass wir lernen wieder wesentlich miteinander zu reden, dass wir einander wirklich mitteilen wie am Anfang der Beziehung, als wir uns in der Verliebtheitsphase alles erzählt haben. Dadurch entwickelt sich eine Beziehung weiter.

Wenn man will, dass der Partner einen versteht, dann muss man sich ihm mitteilen. Wenn man wissen will, was in ihm vorgeht, muss man ihm zuhören. Das ist oft tief berührend und zeitweise anstrengend, aber der Gewinn ist eine tiefe, tragfähige Beziehung.

Jeder kennt den Wunsch, von einem geliebten Menschen verstanden zu werden.

Wir möchten uns dem anderen zeigen und erfahren, dass wir von ihm angenommen sind.

Das Zwiegespräch, eine von vielen Paaren erfolgreich praktizierte Gesprächsweise, ist hierbei eine Möglichkeit (Anleitung als PDF finden Sie weiter unten).

Es handelt sich um ein regelmäßiges, konzentriertes und vertiefendes Paargespräch (auch Hilfreiches Zuhören genannt), das die Bindung wachsen lässt, indem man sich einander zeigt und einfühlbar macht. Wer in Zwiegesprächen wieder mit seinem Partner sprechen lernt, kann seine wesentlichen Bedürfnisse und die des anderen klarer wahrnehmen. Wünsche werden sichtbar und nicht versteckt.

Lieben heißt: sich verstehen, verstanden werden und sich verständlich machen

Ebenso wird die Gereiztheit untereinander geringer. Wenn beide Partner wenig miteinander reden, führen zu geringe Abstimmung der Bedürfnisse und ungelöste Konflikte zu Enttäuschung, Frust oder Aggression. In den Zwiegesprächen (statt endlose, kreisende Zwietrachtgespräche) beginnen beide sich stärker einander zuzuwenden.

Über eine emotionale Nähe stellt sich oft auch wieder eine körperliche Nähe ein – das Zwiegespräch kann auch als Aphrodisiakum wirken ;-)

Was braucht es für ein gutes und tiefes Gespräch? Was ist hilfreiches Zuhören?

Zuhören, kein Problem denken Sie? Das kann ich, ist doch einfach!? Doch gibt es einen Unterschied zwischen dem alltäglichen Zuhören und dem wirklichen Zuhören (oder aktivem, hilfreichem Zuhören).

Alltägliches Zuhören vs. Hilfreiches Zuhören

Typische Situation: Kind kommt vom Sport, Mama/Papa macht noch Abendbrot und fragt, wie der Tag war, und während es erzählt, wird Brot geschnitten, der Tisch gedeckt, schnell noch eine Whats app geschrieben. Kinder sagen oft: „Du hörst mir gar nicht zu.“ Wir lauschen zwar den Worten und können, wenn wir tatsächlich multitaskingfähig sind, sogar deren Inhalt wiedergeben, aber unsere Aufmerksamkeit ist nicht auf das Zuhören gerichtet. Das alltägliche Zuhören geschieht beiläufig und erschafft keine Nähe, keine wirkliche Beziehung.

In der typischen Paar-Kommunikation ist der Zuhörer sehr oft mit eigenen Gedanken beschäftigt, hört nur, was er schon kennt oder hören will, bezieht das Gehörte schnell auf sich, bewertet und interpretiert das Gehörte, legt sich schon mal eine Strategie zur Erwiderung zurecht. Dabei ist der Fokus bei einem selbst und nicht beim Partner, und man verpasst wesentliche Inhalte des Gesagten.

Die guten Zutaten für das Hilfreiche Zuhören sind Einfühlung und Akzeptanz.

Mit Empathie oder einfühlendem Verstehen ist gemeint, den anderen mit dem „Herzen“ mitempfindend zu verstehen. Teilnehmend zu erfassen, in welchem Land der Partner/die Partnerin lebt, welchen subjektiven Blick er/sie auf die Welt hat. Der/Die Zuhörende nimmt Anteil an den Gefühlen, die der Partner in der Situation empfindet, und nimmt die Wünsche und Bedürfnisse wahr – das, was hinter den Worten steht.

Je feiner meine Einfühlung und meine Wahrnehmungen, desto klangvoller die Resonanz zwischen uns, desto tiefer die Verbundenheit.

Mit Akzeptanz ist das wertschätzende Annehmen des Gesprächspartners gemeint. Das Erleben des Partners anerkennen und sich darauf einlassen. Den anderen ernst nehmen und seine Gefühle achten, auch wenn man nicht in allem zustimmt. Das ist wichtig: Zuhören heißt nicht, mit allem einverstanden sein. In jeder Paar-Kommunikation gibt es immer zwei Ansichten und Wahrnehmungen der Realität. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ (worüber Paare oft streiten).

Zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört, dass er Anerkennung, Bejahung und Wertschätzung empfängt. Das ist so wichtig wie die Luft zum Atmen. Ich nehme den anderen so an, wie er ist, ohne Wertungen. Das ist nicht immer einfach, denn ich habe meine ganz eigenen Gefühle, Wünsche und Wertmaßstäbe, die mein Denken, Fühlen und Handeln bestimmen.

Zwiegespräch – eine Anleitung für eine glückliche Paarkommunikation 

Ein wichtiger Aspekt glücklicher Beziehungen ist das wesentliche Miteinander-Reden.

Nach dem Ansatz des Psychotherapeuten Michael Lukas Moeller (weiterführende Buchempfehlung „Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch“) verabredet sich das Paar regelmäßig zum Gespräch für mindestens 30 Minuten.

„Wie geht es mir zurzeit in unserer Beziehung?“ „Was bewegt mich im Moment am stärksten in unserer Beziehung?“ sind dabei die leitenden Fragen. Jede(r) von beiden teilt sich dem anderen mit, und der/die andere hört („nur“) zu.

In diesem Austausch von Selbstporträts geht darum, sich dem anderen zeigen mit seinen Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen. Aufeinander Bezug nehmen ist in Ordnung, aber kein Muss. Jeder entscheidet selbst, worüber er in seiner Redezeit sprechen möchte.

Es gibt mehr als eine Wahrheit.

In der Beziehung gibt es nicht die eine, richtige Wahrheit, sondern jede(r) von uns hat eine eigene. Keine von ihnen ist besser als die andere (obwohl wir das verdammt oft denken). Um die Wahrheit des anderen kennenzulernen und zu verstehen, müssen wir wieder wesentlich miteinander reden.

Im Zwiegespräch sprechen beide Partner abwechselnd und hören sich zu, ohne in eine (oft sich kreisende) Diskussion zu kommen. Das Gesagte bleibt einfach stehen, ohne es zu kommentieren. Man erfährt voneinander, wo der andere steht, wie er sich in der Beziehung fühlt. Und da man es regelmäßig macht, baut man Konflikten und dem Riesenkrach vor, da man ja voneinander erfährt und Kritisches auch schon achtsamer zur Sprache bringen kann, als erst in einer zugespitzten Situation, in der angestauter Groll hochkommt.

„Wir sind zwei Gesichter/Länder einer Beziehung.“ „Ich bin nicht du und weiß dich nicht.“ (Moeller)

Im Zwiegespräch oder Hilfreichen Zuhören stellen wir unserem Partner einen Raum für Tiefe zur Verfügung. Wir schenken ihm/ihr unsere ganze Aufmerksamkeit. Mit offener Körperhaltung und Blickkontakt.

Zuhören heißt, sich berühren zu lassen, sich für den anderen zu interessieren, zu signalisieren „Du bist mir wichtig – was du sagst interessiert mich“. Wir hören auch dann zu, wenn der andere schweigt.

Wir sprechen nicht selber, wir geben nicht unsere Meinung wieder und stellen nicht irgendetwas richtig, das uns falsch erscheint. Es braucht ein wenig Disziplin, sich darauf einlassen zu können. Vor allem dann, wenn es um Emotionen geht. Es braucht Größe und Reife, damit wir uns nicht verteidigen oder einen Gegenangriff starten. Die Position des Zuhörers ist häufig schwieriger, weil er/sie evtl. auch unangenehme Dinge anhören muss, ohne gleich zu reagieren. Diese sofortigen Reaktionen führen oft zu Streit. Ich wünsche Ihnen Mut, das auszuhalten und der Vertiefung zu vertrauen.

Miteinander reden schafft Nähe, Achtsamkeit und Vertrauen.

Wenn Sie diese Übung regelmäßig als Paar machen, entwickeln und vertiefen Sie mehr und mehr Ihre Beziehung. Es ist eine Möglichkeit, in friedlichen Zeiten gut miteinander in Kontakt zu sein und Vertrauen wachsen zu lassen.

Eine Veränderung des Kontakts, der Nähe, der Intimität kann es nur geben, wenn sich die Partner wieder neu sehen und entdecken können. In der mutigen Selbstoffenbarung mit allen Schatten- und Sonnenseiten zeigt sich der Liebende immer wieder neu. 

Hier finden Sie das Arbeitsblatt zum Zwiegespräch/Hilfreichen Zuhören

Auch wenn es sich mit den Redeanteilen etwas konstruiert oder gewöhnungsbedürftig anhört – es lohnt sich! Das Zwiegespräch verändert ihre Partnerschaft, und manche Paare haben sogar mit dieser Methode ihre Beziehung gerettet!

Wenn Sie es regelmäßig gemacht haben, ist diese Gesprächsmethode immer wieder hilfreich, wenn Sie sich im Alltag aus den Augen verloren haben, wenn die Stimmung gerade gereizt ist, wenn Sie das Gefühl haben, aneinander vorbeizureden.

Oder Sie nutzen es für bestimmte Fragestellungen: „Welche 3 Wünsche habe ich an Dich?“, „Wie möchte ich unsere gemeinsame Zeit verbringen?“, „Wie erlebe ich unsere Sexualität?“ Gerade der Austausch über sexuelle Wünsche und Phantasien und Vorlieben kann einen intimen Glückskreis eröffnen, da Miteinandersprechen und erotische Stimmung sich wechselseitig verstärken. Emotionale Nähe ist sexy.

Viele Paare lernen in diesen berührenden Momenten einander besser kennen als in all den Jahren davor. Egal, wie groß die Distanz vorher zwischen den Partnern gewesen ist, danach fühlen sie sich nah.